RAINMAN
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Wegen der momentanen Popularität des Films sowie der durch ihn ausgelösten
Diskussionen hier ausnahmsweise eine Filmrezension: Zu erst das Positive:
Dustin Hoffmann ist wie immer - wenn der eine Bockwurst spielt, ist das Oscar
reif - sensationell gut. Sagenhaft wie er sich in die Person des Raymond
hineinbegibt, ihr wirkliches Leben einhaucht; nie einem Voyeurismus des
'Freakischen' verpflichtet, das Lachen über einzelne Aktionen von Raymond
wird nie zu einem Auslachen. Bemerkenswert zum Teil auch die Kameraführung
und die z.T. überlauten Geräuschsequenzen - natürlich nicht lange genug um
zu einer echten Bedrohung zu werden.
Mit diesen beiden Punkten ist meiner Meinung nach aber schon Schluß mit dem
Positiven. Es ist halt alles - Hollywood - entschieden zu glatt, einfach
klischeehaft. Natürlich ist Raymond ein 'Ausnahmeautist' am oberen Rand der
Möglichkeiten. (Alles andere wäre auch nicht darstellbar gewesen.) Aber dadurch wird der Mystifikation und dem -netten- Geheimnis 'Autismus' nur Vorschub
geleistet. Wirkliche Bedrohung kommt ja nie auf, wird für den Zuschauer nie
erlebbar, ist aber in der Regel sowohl für die sogenannten 'Autisten' wie auch
die Menschen, die mit ihnen leben und arbeiten, immer vorhanden. (Ich meine hier
nicht vorrangig durch körperliche Angriffe sondern durch die Fremdheit der
jeweiligen Welten.)
Zu dem zeigt der gesamte Film einzig die Entwicklung von dem Bruder Charlie(!),
Raymond wird letztlich im Regen stehen gelassen, und es gibt keinen Punkt im
Film wo ein anderes Ende, ein Ansatz von eigener Entwicklung erahnbar gewesen
wäre. 'Reise mit einem Autisten durch die Staaten, zwei Wochen Selbsterfahrung
in den schönen Landschaften der neuen Welt`. So oder ähnlich könnte ein entsprechendes 'Psychoreisen'- Angebot für den gestressten Jungmanager aussehen.
Bei dem heutigen Psychorummel vielleicht die übersehene Nische? Nach der Delphintherapie für Autisten (Stern, 3/1988, S.42. ff) würde es mich nicht wundern,
wenn jemand draufkäme und eine solche Reiseveranstaltung am Ende noch als
'Integrativearbeitsmöglichkeit' für Autisten ausgeben würde.
Hier wie da: die Katastrophe wäre perfekt, würde der 'Autist' nur ein kleines
Stück von seinem Autismus abweichen. Er ist im Klischee festgenagelt. Er ist
ja auch sooo nett.
So nähert sich die Freundin von Charlie Raymond im Fahrstuhl. - Würde das ein
Mann mit einer Frau machen, Fahrstuhl anhalten... , wäre das die Grenze zur
Vergewaltigung. - Allerdings geht es ihr ja auch nicht um Raymond sondern nur
um die Bestätigung ihrer Fantasie ihr Sex wäre stärker als sein Autismus. Der
Versuch scheitert, sie tritt danach nicht mehr in Erscheinung. - (Aus Alexis
Sorbas: `Die größte Sünde des Mannes ist: wenn eine Frau ihn in ihr Bett ruft
und er nicht gehen will'.)
Und Charlie? Er gewinnt die Möglichkeit von Gefühlen, in dem ihm Raymond seinen
Spiegel vorhält, und damit die Liebe seiner Freundin wieder. Wo wird aber dieses
'den Spiegel vorhalten' deutlich - außer am Beginn mit dem gleichen zwanghaften
Bezug zu Autos über deren Daten -, führt zu einem Nachdenken Charlies über seine
und Raymonds gemeinsame Wurzeln, ihr gemeinsames Lebensumfeld, z.B. die Bedeutung
des Vaters?
Ansonsten verdrängt er den Betreuer Burn - 'großer Boss Burn' - ebenso professio`
nell von der Seite Raymonds, wie er berufliche Konkurennten aus dem Weg zu räumen
gewohnt ist; aber nicht um seinem Bruder ein eigenes Leben zu eröffnen, sondern
um selber der 'große Boss' zu werden, was dann mit 'Bruderliebe' verwechselt
wird.
In dieser Hinsicht scheint mir der Film äußerst realistisch - die immer wieder vereinnahmende Auseinandersetzung, wer denn nun im Namen des 'Autisten' handeln,
sprechen, das Beste wollen darf. Ein sanfter und deshalb umso weniger angreifbarer
Boss lößt den nächsten ab. Eine echte Chance über einen sinnvollen, produktiven
Konflikt mit ihm, wird Raymond nie gegeben. - Nur wer sieht das so? War es je
so geplant?
Alles in allem ein Hollywood-Rührstück über eine Episode eines amerikanischen
Yuppies mit seinem skurrilen Bruder. Nett und ungefährlich solange es nicht mit
der Realität von Autismus zusammengebracht wird. In diesem Zusammenhang eine
Katastrophe der Vereinfachungen und mystifizierender Klischees.
Peter Rödler mail
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