Interdisziplinäres Kolloquium: Die Corona-Ambulanz Koblenz als Beispiel für ein interdisziplinäres Phänomen

Ein Beitrag aus der Soziologie

Das Interdisziplinäre Kolloquium bietet (Nachwuchs-)Wissenschaftler*innen des Campus Koblenz die Möglichkeit, sich selbst und ihre Forschungsprojekte einer breiten Hochschulöffentlichkeit vorzustellen und dabei ins Gespräch zu kommen, sich kennenzulernen und auszutauschen. Die wissenschaftlichen Themen der Vorträge sollen in verständlicher Weise aufbereitet und disziplinübergreifend zugänglich gemacht werden, um hierdurch die Wissenschaftskultur am Campus mitzuprägen.


Dass nach einem Großphänomen, wie der Pandemie durch SARS-CoV-2, beizeiten wissenschaftliche Beiträge darüber wie Pilze aus dem Boden schießen würden, ist nicht verwunderlich. Laut Teilen der Epidemiologie und Klimaforschung kann der Bildungsprozess von Zoonosen als anthropogen beschleunigt betrachtet werden: „Anthropogenic climate change is unequivocal and ongoing. The detection of specific changes in the climate and their diverse impacts on people and nature is advancing, with robust attribution of climate change to greenhouse gas emissions as well as to other contributing factors (IPPCC 2022: 148). Daher: „Further research in the natural and social sciences is needed to reveal the role of social factors in the frequency of zoonoses“ (Aronsson/Holm 2020: 9). Weitere Beispiele für durch die Menschheit verursachte oder zumindest beschleunigte Phänomene sind: wachsende Durchschnittstemperaturen auf dem Planeten, die Ausdünnung der Ozonschicht (Ozonloch), Mikroplastik in Organismen, zunehmende Entwaldung, sinkende Biodiversität („gegenwärtiges Massenaussterben“), der Anstieg der Meeresspiegel (Gletscherschmelze) oder die zunehmende Versauerung des Bodens …

Dies unterstützt die Annahme, dass die Menschheit – oder vielmehr: ihr Handeln – längst zu einem physikalischen Faktor auf dem Planeten avanciert ist. Zunehmend beobachtet die Soziologie immer poröser werdende Grenzen zwischen ‚Natur‘ und ‚Gesellschaft‘, die einst sorgfältig die Zuständigkeitsbereiche sogenannter Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften voneinander trennten. Währenddessen hat die Geologie längst für Aufruhr gesorgt, indem bereits vor über 20 Jahren das sogenannte Erdzeitalter des Anthropozän ausgerufen werden sollte – in welchem der Mensch als einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die geologischen Prozesse auf der Erde beschrieben wird.

In diese Debatte situiert untersuche ich derzeit die „Corona-Ambulanz“ Koblenz. Diese wird in meiner Forschungsarbeit nicht als eine ausschließlich ‚gesellschaftliche‘ Institution begriffen, sondern als eine relationale Mischung aus bspw. technischen (Corona-Warn-App, Verwaltungssystem für Tests, Masken …), menschlichen (Ärzt*innen, Verwaltungspersonen, Studierende, örtliche Bevölkerung, Feuerwehr, Laborarbeitende …) oder naturwissenschaftlichen Elementen (Epidemiologie, stellenweise Impfstoffe, Laborausstattungen, Flüssigkeit zur Konservierung von möglichen Viren …). Es handelt sich um eine Feldforschung, die u.a. zum Ziel hat, einen Überblick über die Prozesse der Entstehung solcher Grenzphänomene wie der „Corona-Ambulanz“ zu erlangen. Die Einrichtung „Corona-Ambulanz“, welche demnach weder ein ‚rein‘ politisches, soziales, natürliches oder biologisches Phänomen ist, eignet sich besonders für eine interdisziplinäre Analyse.

Impulse für meine Forschung erhalte ich aus den Schriften der disziplinübergreifenden Sozialphilosophen Michel Foucault und Bruno Latour, welche ich auf ihre gemeinsamen Ansätze hin untersuche. Insbesondere der Einbezug nichtmenschlicher Einheiten stellt diese (soziologische) Untersuchung vor neue, spannende Herausforderungen.

In dem Vortrag soll die Trennung von Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften anhand der „Corona-Ambulanz“ Koblenz illustrativ aufgelöst und zu einem regen, interdisziplinären und offenen Austausch eingeladen werden.

Quellen:

Aronsson, Anne/Holm, Fynn: Multispecies entanglements in the virosphere. Rethinking the Anthropocene in light of the 2019 coronavirus outbreak, in: The Anthropocene Review, Heft 0, 2020, S. 1-13.

IPCC 6th Assessment Report. Impacts, Adaption and Vulnerability, Chapter 1: Point of departure and key concepts: IPCC_AR6_WGII_Chapter01.pdf, 2022, S. 148.




In Kooperation mit dem CZS MINT-Forum.