Di. 25.11.2025, 18:15 Uhr, E312
In den späten 1970er-Jahren zeichnete sich zunehmend das Ende der brasilianischen Militärdiktatur ab. Damit stellte sich die Frage, wie ein demokratisches Brasilien politisch, kulturell und sozial verfasst sein würde. In diesem Kontext entstanden antihegemoniale Bündnisse zwischen erstarkenden sozialen Bewegungen, aus dem Exil zurückgekehrten progressiven Intellektuellen sowie linken Parteien, die darauf abzielten, die Demokratisierung als umfassende gesellschaftspolitische Transformation auszugestalten. In diesen Koalitionen erhielt die Erinnerung an eine frühneuzeitliche Gemeinschaft rebellischer afrikanischer Sklaven, das sogenannte Quilombo von Palmares, die Rolle einer bewegungsübergreifend geteilten Utopie. Als Vorschein eines „anderen Brasiliens“ ermöglichte diese Utopie es, gemeinsame politische Hoffnungen und Zielvorstellungen zu vergegenständlichen. Dies umfasste Aspekte wie Umverteilung, die Anerkennung kultureller – insbesondere schwarzer – Differenz sowie die Überwindung des Rassismus.Die Frage nach einer demokratischen Kulturpolitik erwies sich als Einfallstor, durch das sowohl die Erinnerung an Palmares als auch die mit dieser Utopie verbundenen Forderungen in institutionelle Kontexte eingebracht wurden. Dort trafen die emanzipatorischen Anliegen sozialer Bewegungen auf das Interesse konservativerer Akteure an einem neuen, demokratischen nationalen Gründungsmythos, der den Bruch mit der Diktatur demarkieren sollte. Anhand der Ein- und Ausschlüsse der Kanonisierung des Mythos von Palmares untersucht der Vortrag die Grenzen der Demokratisierung Brasiliens als sozialer Transition. Die gegenwärtige brasilianische Erinnerungskultur wird hierdurch als Zeichen unerfüllter gesellschaftspolitischer Ambitionen lesbar. Zugleich verdeutlicht die Analyse, wie die entsprechenden Verhandlungen neue politische Rahmenbedingungen und Grenzziehungen hervorbrachten, die zum Zerbrechen und Vergessen der beschriebenen antihegemonialen Koalitionen führten und bis in die Gegenwart die Logik sozialpolitischer Auseinandersetzungen prägen.
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