DigiMed Bayern. Sozialwissenschaftliche Begleitforschung zur P4 Medizin

Eine neue Art der Medizin: prädiktiv, präventiv, personalisiert und partizipativ

Die Digitalisierung der Medizin revolutioniert die Gesundheitsversorgung. Mit verbesserten Kapazitäten zur Prädiktion und Prävention von Krankheiten wird der Grad der Personalisierung und Partizipation von Patient*innen (P4-Medizin) erhöht. Grundlage dieser Innovation sind große Datensätze (Big Data).

Als Schritt in diese Richtung fördert die Bayerische Staatsregierung seit 2018 die digitalisierte Medizin im Bereich der atherosklerotischen Erkrankungen (DigiMed Bayern). In diesem Rahmen wird am Deutschen Herzzentrum München ein umfassendes Screening zur Früherkennung der Familiären Hypercholesterinämie durchgeführt (Vroni-Studie). Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche sowie, im zweiten Schritt, Familienangehörige von Betroffenen. Diagnostisches Herzstück ist ein Gentest.

Sozialwissenschaftliche Begleitforschung zur Teilnahmebereitschaft

Wie bei allen genetischen Untersuchungen geben die Befunde des Vorsorge-Screenings nicht allein Auskunft über die Getesteten, sondern auch über nahe Verwandte. Betroffen sind Eltern, Geschwister und spätere Nachkommen. Damit ist die Frage der Teilnahme kein individueller Entscheidungsgegenstand mehr. Dies kompliziert ethische Fragen, die seit längerem unter dem Stichwort „Recht auf Nicht-Wissen“ diskutiert werden.

Bisher ist unklar, wie und auf welcher Grundlage sich die Eltern, denen das Vorsorge-Screening angeboten wird, entscheiden. Um dies zu erforschen, wird am Institut Theologie-Technik-Naturwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München eine sozialwissenschaftliche Begleitstudie durchgeführt, an der auch die Koblenzer Soziologie personell beteiligt ist.

Im Rahmen dieser Untersuchung werden alle an dem neuen Screening-Angebot Beteiligten befragt: Eltern sowie Vertreter*innen der Pädiatrie und der Kinderkardiologie. Ziel der Untersuchung ist eine Erhebung der Haltungen, Sichtweisen und Deutungsmuster in Bezug auf die mit dem Screening verbundenen Chancen und Risiken. Die Begleitstudie enthält eine qualitative und eine quantitative Komponente. Gefördert wird die Untersuchung vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.


Publikationen

Veröffentlichungen

  • Arne Dreßler und Oliver Dimbath (2023): Kontrollmedizin und Patientenautonomie. Das Freiheitsproblem in der gesundheitsorientierten medizinischen Versorgung, speziell bei der Einführung von Screenings. Ein Dialog zwischen Allgemeiner Soziologie und Medizinsoziologie. In: Yannik Schlote & Therese Feiler (Hrsg.): Freiheit. TTN Edition 2023. München: Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München, S. 25-41.
  • Arne Dreßler und Oliver Dimbath (2022): Radikale Medikalisierung: P4-Medizin als gesellschaftliches Modernisierungsprogramm. In: Psychologie. & Gesellschaftskritik 46 (3), Nr. 183, S. 91-110
  • Oliver Dimbath und Arne Dreßler (2021): „Untiefen der Gewissheitsproduktion: Sozialwissenschaftliche Überlegungen zum diagnostischen Screening“. In: Therese Feiler (Hrsg.): Vernunft und Wissen: Zur Ethik in der Krise. TTN Edition 2020/2021. München: Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München, S. 12-20.

Vorträge

  • Arne Dreßler und Oliver Dimbath: Jenseits von Meinungsforschung und Sozialtechnik – Die Soziologie im ELSI-Kontext. Vortrag im Rahmen der Tagung ‚Ethik zwischen Labor und Lebenswelt‘ an der Evangelischen Akademie Tutzing am 5. Oktober 2022.
  • Arne Dreßler und Oliver Dimbath: Soziale Konsequenzen der Personalisierung in der Medizin, Vortrag im Rahmen der Tagung „Wo bleibt das ‚Wir‘ in der personalisierten Medizin?“ am 22. März 2021, Online-Veranstaltung des Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften in Zusammenarbeit mit acatech – Deutsche Akademie für Technikwissenschaften und der Evangelischen Akademie Tutzing.

Förderungen & Partnerschaften


Partnerschaften
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