Ausblick auf Relevanz und Entwicklungen von KI im Bereich der OER
Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) im Bereich der Open Educational Resources (OER) könnte in Zukunft die Erstellung, Bearbeitung und Verbreitung freier Bildungsinhalte grundlegend verändern und deutlich erleichtern. Die Entwicklung von KI-Systemen birgt für den Bildungsbereich das Potential, nicht nur Inhalte automatisiert zu erstellen, sondern auch neue Wege zu eröffnen, wie Lehr-Lern-Materialien zugänglich gemacht und an individuelle Bedürfnisse angepasst und personalisiert werden können.
Gleichzeitig bringt die Nutzung von KI zur Erstellung von OER neue Herausforderungen mit sich und wirft Fragen auf - etwa in Bezug auf Qualitätssicherung, ethische Standards oder mögliche Verzerrungen der Inhalte. Bildungsakteur*innen in verschiedenen Kontexten stehen vor der Aufgabe, diese Entwicklungen aktiv mitzugestalten.
Im Folgenden wollen wir daher einen Ausblick darauf geben, welche Rolle KI künftig im Bereich der OER spielen könnte und in welche Richtungen sich ihr Einsatz weiterentwickeln lässt.
Verbesserung von Verbreitung, Metadaten und Auffindbarkeit
Eine der größten Schwierigkeiten im OER-Bereich ist die Auffindbarkeit relevanter Materialien. Trotz der Vielzahl an verfügbaren OER-Materialien ist es oft schwierig, passende hochwertige Inhalte zu finden, da viele Ressourcen nicht richtig kategorisiert oder schlecht beschrieben sind. Hier kann KI in Zukunft eine entscheidende Rolle übernehmen.
Veröffentlichung von OER
KI könnte bereitgestelltes Material automatisiert sichten und dessen Bedeutung erfassen, um eine inhaltliche Einordnung und Kategorisierung vorzunehmen. Darüber hinaus wäre es möglich, ein Material automatisch in verschiedene Dateiformate zu transformieren oder zu konvertieren. Abschließend könnten passende Plattformen erkannt und die Inhalte dort automatisiert veröffentlicht werden.
Metadatenqualität erhöhen
KI-Systeme könnten mitgelieferten Metadaten analysieren und auf fehlende Informationen hinweisen, damit Erstellende diese gezielt nachliefern können. Diese präziseren Metadaten erhöhen die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit des OER-Materials.
Automatisch Metadaten generieren
KI-basierte Algorithmen könnten OER-Materialien analysieren und automatisiert Metadaten generieren, die nicht nur auf Oberflächenmerkmalen, sondern auch tiefergehend auf Themen und Inhalten der analysierten Materialien basieren. So könnten wichtige Informationen wie das Niveau des Materials, das Thema oder die Zielgruppe automatisch erkannt und zugeordnet werden.
Verbesserte Suchfunktion
KI könnte in Zukunft in Form von intelligenten Suchsystemen zum Einsatz kommen, die bei einer Suchanfrage nicht nur nach Schlagworten sortierte Datenbanken durchsuchen, sondern auch detailliert formulierte Suchanfragen (ähnlich Prompts) präzise erfassen können und darauf aufbauend Materialien auch hinsichtlich ihrer inhaltlichen Bedeutungen berücksichtigen.
Zugänglichkeit zu wissenschaftlichen Arbeiten und Daten
KI könnte in Zukunft dabei helfen, wissenschaftliche Ergebnisse schneller und effektiver zu verbreiten, indem sie automatisch Zusammenfassungen erstellt oder Forschungsdaten für die Öffentlichkeit aufbereitet.
Qualitätssicherung durch KI
Ein weiteres großes Potenzial von KI liegt in der Unterstützung bei der Qualitätssicherung von OER. Viele Lehrende haben Bedenken hinsichtlich der Qualität und Aktualität von OER, da es an offiziellen etablierten Standards fehlt, die die Qualität der Materialien garantieren. Hier könnte KI einen Beitrag leisten.
Fehler und Unklarheiten automatisch identifizieren
KI-Algorithmen könnten eingesetzt werden, um Inkonsistenzen in den Materialien aufzudecken. Dies könnte durch die Analyse von Grammatik, Rechtschreibung und fachlicher Korrektheit der Inhalte erfolgen. KI könnte auch auf veraltete Informationen hinweisen, die aktualisiert oder überarbeitet werden müssen.
Prüfung auf Bias
KI könnte bei der Prüfung von OER-Inhalten helfen, indem sie diese systematisch auf mögliche Verzerrungen (Bias) in Sprache, Darstellung oder Quellen untersucht und darauf hinweist, um so für mehr Diversität und Inklusion zu sorgen. Auch könnte sie künftig durch kontinuierliches Training und Abgleich mit ethischen Standards helfen, diskriminierende Tendenzen frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren.
Barrierefreiheit verbessern
KI könnte helfen, OER zugänglicher zu machen, indem sie automatisch Barrieren für bestimmte Zielgruppen identifiziert. Zum Beispiel könnten für Videos oder Audios automatisch Untertitel bzw. Transkripte erstellt, Bildbeschreibungen generiert oder Lernmaterialien in Leichte Sprache übersetzt werden, um sie für Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zugänglich zu machen. Künstliche Intelligenz könnte in Zukunft gezielt zur Barrierefreiheit beitragen, indem sie beispielsweise Inhalte vergrößert, automatisch vorliest oder beschreibt, was auf Bildern dargestellt ist. Dabei kennt die KI die individuellen Bedürfnisse der Nutzenden, erkennt, wo Unterstützung erforderlich ist, analysiert das vorhandene Material entsprechend und passt es gegebenenfalls an oder wandelt es in eine zugängliche Form um.
Peer-Review-Prozesse effizienter gestalten
Die KI könnte auch in Peer-Review-Prozesse integriert werden, indem sie eine erste Überprüfung hinsichtlich des Inhalts und der Qualität von OER-Materialien übernimmt. Sie könnte gleichzeitig Feedback von der Community einholen, um die Qualität der Materialien weiter zu verbessern.
KI für OER bei rechtlichen Fragen und offener Lizenzierung
Künstliche Intelligenz könnte in Zukunft eine wertvolle Unterstützung bei rechtlichen Fragen im Bereich der Open Educational Resources (OER) bieten. Sie könnte dabei helfen, Lizenzbestimmungen automatisch zu erkennen und zu prüfen, Urheberrechte zu analysieren sowie passende Nutzungshinweise zu generieren. So könnte KI nicht nur bei der rechtssicheren Erstellung und Weiterverbreitung von OER unterstützen, sondern auch die Orientierung im oft komplexen juristischen Rahmen erleichtern.
Unterstützung bei Lizenzierung
KI-gestützte Assistenzsysteme wie Chatbots könnten künftig gezielt dabei helfen, die passende Lizenz für ein OER-Material auszuwählen. Sie könnten Nutzer*innen außerdem bei der korrekten Formulierung und Platzierung von Lizenzhinweisen unterstützen, indem sie durch den Prozess führen, Fragen beantworten und auf mögliche rechtliche Stolperfallen hinweisen.
Einhalten von Lizenzanforderungen und Urheberrechten
KI könnte so trainiert werde, dass sie das UrhG und CC-Lizenzen versteht und nur erlaubte Inhalte verwendet bzw. Inhalte urheberrechtskonform verwendet (z.B. als korrekt gekennzeichnete Zitate etc.).
Transparenz bei KI-generierten Inhalten
Mit dem gesteigerten Potenzial, welches KI-Systeme im Laufe der nächsten Jahre sehr wahrscheinlich entwickeln werden, wäre eine einprogrammierte Selbstverpflichtung zur Kennzeichnung fremder Inhalte, falls diese verwendet werden, von großem Vorteil. Auch könnte die KI ihre Ergebnisse automatisch als KI-generiert kennzeichnen.
KI für alle: Hürden abbauen und Bildungsangebote erweitern
Ein weiteres zentrales Thema ist die Zugänglichkeit von KI und OER. KI darf nicht nur den großen, monetär und technologisch gut ausgestatteten Institutionen vorbehalten sein. Es muss gewährleistet sein, dass auch kleinere Bildungseinrichtungen, Community-Projekte und Lernende aus weniger privilegierten Regionen oder Gesellschaftsschichten Zugang zu den Vorteilen von KI in der Bildung haben.
Demokratisierung von KI-Zugang
Die Entwicklung und Bereitstellung von Open-Source-Softwarelösungen für KI kann dazu beitragen, dass Bildungseinrichtungen unabhängig von ihrer Größe oder finanziellen Lage von der Technologie profitieren können.
Niedrigschwellige KI-Tools für Lehrende und Lernende
Um KI effektiv zu nutzen, müssen die Tools einfach und benutzerfreundlich sein. Dies erfordert, dass Entwicklungsressourcen in die Erstellung intuitiver und anpassbarer Anwendungen investiert werden, die leicht in bestehende Bildungspraktiken integriert werden können.
Lernempfehlungen personalisieren
Auf Basis von Lernverhalten und Präferenzen könnten KI-gestützte Systeme individuelle Materialvorschläge machen, die den spezifischen Lernfortschritt und die Interessen der Lernenden berücksichtigen.
Zukünftige Risiken: KI und die Auswirkungen auf OER
Der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Bereich der Open Educational Resources bietet zahlreiche Vorteile, etwa die Zeitersparnis bei der Generierung von Inhalten. Doch neben den positiven Aspekten gibt es auch Herausforderungen und Risiken, die nicht unbeachtet bleiben dürfen und die Auswirkungen auf die Offenheit und Zugänglichkeit von Bildungsressourcen in der Zukunft haben könnten.
Abhängigkeit von proprietären Systemen
Der Einsatz kommerzieller KI-Plattformen kann zu technologischer und monetärer Abhängigkeit führen. Schon jetzt gibt es immer mehr Zahlmodelle für unterschiedliche KI-Systeme. So können der Zugang zu dieser Technologie und die Teilhabe an Bildung - vor allem eine Förderung von KI-Literacy - gefährdet werden. Denn: kann man sich den Zugang zu KI-Technologien nicht leisten, kann man auch nicht lernen, verantwortungsvoll damit umzugehen.
Ungleicher Zugang
Nicht alle Lernenden und Bildungseinrichtungen verfügen über dieselben Ressourcen und Möglichkeiten. Daher könnten auch nicht-monetarisierte, frei zugängliche und frei-lizenzierte KI-basierte Bildungsangebote bestehende Ungleichheiten verstärken, wenn der technische Zugang nicht gewährleistet ist.
Verzerrte Inhalte
KI kann Vorurteile oder einseitige Perspektiven in Bildungsinhalte einbringen, insbesondere wenn Trainingsdaten unausgewogen sind oder auch, wenn Firmen oder (staatliche) Systeme darauf abzielen, gewinnmaximierende, propagandistische oder fehlinformative Inhalte zu verbreiten und KI entsprechend programmieren. So können natürlich auch Bildungsinhalte entstehen, die z.B. rassistische oder geschlechterspezifische Vorurteile befeuern.
Verdrängung pädagogischer Beziehungen
Zu viel KI im Bildungsprozess könnte den wichtigen zwischenmenschlichen Dialog und die persönliche Lernbegleitung gefährden.
Datenschutz und Überwachung
Die umfangreiche Sammlung von Lern- und Verhaltensdaten kann die Privatsphäre der Lernenden gefährden. Auch stellt sie ein Risiko dar, falls es zu Leaks oder Cyberangriffen kommen sollte. Zudem muss die Frage gestellt werden, was mit den Daten abseits einer Lernumgebung noch passiert. Hier besteht die Gefahr, dass die Daten verkauft werden oder z.B. genutzt werden, um - evtl. sogar ohne das Wissen der betroffenen Personen - Risikobewertungen (z.B. beim Abschluss einer Versicherung oder bei Gewährung eines Bildungskredits) durchzuführen oder auch zukünftige Jobperspektiven zu beeinflussen (z.B. beim Einsatz bei der Auswahl von Bewerber*innen).
Ethische Aspekte und gesamtgesellschaftliche Aufgaben
Um KI als Werkzeug in die OER-Produktion zu integrieren, muss ein hohes Maß an Transparenz gewährleistet sein. Lernende und Lehrende müssen darauf vertrauen können, dass die verwendeten KI-Systeme keine versteckten Verzerrungen oder Fehler enthalten. Dies erfordert:
KI-Literacy zu fördern
KI-Literacy beschreibt die Kompetenz, KI-Systeme zu verstehen, zu nutzen und kritisch zu hinterfragen. Um KI verantwortungsvoll zu nutzen, müssen Lernende und Lehrende in der Lage sein, zu verstehen, wie diese Systeme arbeiten und wie sie ethisch eingesetzt werden können. Um dies zu gewährleisten, muss ein entsprechendes Bildungsangebot und die dafür benötigten Ressourcen bereitgestellt werden.
Offene Standards für KI zu fördern
Um die offene und transparente Nutzung von KI in der Bildung sicherzustellen, sollten KI-Algorithmen, die in der OER-Produktion eingesetzt werden, Open-Source-Standards entsprechen. Dies fördert die Nachvollziehbarkeit und ermöglicht es, dass die Tools von der Gemeinschaft überprüft und weiterentwickelt werden können.
KI-Systeme transparent und qualitätsgesichert weiterzuentwickeln
Die Entscheidung, wie eine KI Inhalte erstellt oder analysiert, muss transparent und nachvollziehbar sein. Es sollte klar sein, auf welcher Grundlage die KI Entscheidungen trifft, um das Vertrauen in die Technologie zu stärken. Hier könnten offene Trainingsdaten Klarheit schaffen.
Bias zu vermeiden
KI-Systeme müssen so entwickelt werden, dass sie keine bestehenden Vorurteile oder Diskriminierungen reproduzieren. Hierbei spielt die Vielfältigkeit und Qualität der Trainingsdaten eine wesentliche Rolle. Die KI muss so trainiert werden, dass sie unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt und eine faire, inklusive Bildung fördert.
Ethische Leitlinien zu entwickeln
Für eine faire Entwicklung sollten sich die Firmen hinter den KI-Systemen auf Standards und Empfehlungen der UNESCO o.ä. Einrichtungen einigen. Da allein Freiwilligkeit aber wahrscheinlich nicht ausreichen wird, damit ethische Leitlinien befolgt werden, sind gesetzliche Vorgaben und Regelungen für kommerzielle KI-Anbieter in Zukunft zwingend notwendig. Dies muss insbesondere datenschutzrechtliche Regelungen zum Schutz von KI-Nutzenden beinhalten.
Transparenz bei KI-generierten Inhalten sicherzustellen
Mit dem gesteigerten Potenzial, welches KI-Systeme im Laufe der nächsten Jahre sehr wahrscheinlich entwickeln werden, wäre eine einprogrammierte Selbstverpflichtung zur Kennzeichnung ihrer Inhalte von großem Vorteil. Auch könnte die KI ihre Ergebnisse automatisch als KI-generiert kennzeichnen.
Fischer, Andreas; Jöchner, Anna; Dauser, Dominique (2024): OER und KI - eine vielversprechende Verbindung! Forschungsinstitut für Betriebliche Bildung (f-bb) für OERinfo - Informationsstelle OER.
Schleiss, Johannes et al. (2023): Künstliche Intelligenz in der Bildung. Drei Zukunftsszenarien und fünf Handlungsfelder, Diskussionspapier, Berlin: KI-Campus.
Stand: 12/2025. Einige verlinkte Seiten sind zu einem späteren Zeitpunkt eventuell nicht mehr verfügbar.
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